Tanz als Sprache

Es begann im November mit einem Anruf von einem Kommilitonen. Marcus Kauer, stellvertretender Schulleiter an der Gesamtschule Richtsberg in Marburg, fragte ob ich mir vorstellen könnte, ein Tanzprojekt mit zwei Sprach-Intensivklasse für geflohene Jugendliche durch zu führen. Vier Monate später befand ich mich mit einer Assistentin (die Studentin Juliane Wetzel), 25 Jungs, fünf Mädchen (aus Syrien, Afghanistan, Somalia und dem Sudan) und ihren drei LehrerInnen in der Turnhalle. Ziel des Workshops war eine tänzerische Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache.

Im Vorfeld besuchte ich die Klassen um das Projekt vorzustellen und die Jugendlichen kennen zu lernen. Ich bat sie ein paar Sätze über sich selbst, ihre Hobbys und ihre Familien aufzuschreiben. Bei einem zweiten Besuch wurden diese Sätze aufgenommen und vertont. Damit wollte ich ihnen die Gelegenheit geben, sich selbst, ihre Wünsche und Vorlieben vorzustellen.

Mir war es ein besonders Anliegen, die Choreographien gemeinsam mit den Jugendlichen zu entwickeln und ihnen die Chance zu geben, Tanz als Ausdrucksmöglichkeit zu entdecken. Gerade in einer Lebensphase, in der die Teilnehmer ihre Gefühle und Talente wegen mangelnder Sprachkenntnisse nur eingeschränkt kommunizieren können, war es für sie wohltuend, ihre körperlichen Fähigkeiten zu demonstrieren. Beispielsweise beherrschten viele von ihnen hervorragende Turnkunststücke. Diese wurden in die Choreographie eingebaut. Die non-verbale Kommunikation miteinander und die geteilte Euphorie über die entstandenen Tänze und den gelungenen Auftritt rief zudem ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl unter den Schülern hervor, das sicherlich einen guten Beitrag zum friedlicheren Zusammenleben unter den verschiedenen Nationalitäten der Klassen leisten könnte.



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